3 Augenpaare schauen angespannt auf einen Bildschirm. Mein Partner hält meine Hand.
Eine Woche zuvor waren wir schon einmal hier. Mein Partner hielt meine Hand. Wir sahen zum ersten Mal das schlagende kleine Herz unseres Kindes in meinem Bauch.
Damals stiegen mir Freudentränen in die Augen. Heute habe ich Angst.
Es zeigt sich ein Wirrwarr schwarzer, grauer, weißer Flächen in ständiger Bewegung. Genauso schnell bewegt sich der Ultraschallkopf in meiner Vagina.
Als Laie erkenne ich nicht viel auf den Bildern.
Doch eines sehe auch ich: Es gibt keinen Herzschlag. Der Embryo – mein Kind, auf das ich mich so gefreut hatte – ist tot.
Was danach kommt, rauscht wie in einem falschen Film an mir vorbei: wir könnten ausschaben, das sei eine ambulante OP. Oder ich könnte es mit Tabletten versuchen, die ich in meine Vagina einführe – nach einer Nacht sei alles vorbei.
Ich bekomme ein Faltblatt mit Anweisungen für die Anwendung der Tabletten – eigentlich gedacht für eine Abtreibung. Bei einer Fehlgeburt könne man aber genauso vorgehen.
Für meinen Frauenarzt ist es traurige Routine. Für mich ein Schock, der mir den Boden unter den Füßen wegzieht.
So oder ähnlich ergeht es jährlich tausenden Frauen. Um genau zu sein: jede dritte Frau macht diese Erfahrung mindestens einmal im Laufe ihres Lebens. Jede 4. Schwangerschaft endet bis zur 12. Schwangerschaftswoche in einer Fehlgeburt. Und bei bis zu 50% aller befruchteten Eizellen kommt es gar nicht erst zur Einnistung in die Gebärmutter.
Frühe Fehlgeburt/ Abort heißt das im Medizinsprech. „Ich habe mein Kind verloren“ heißt es nicht selten für die Menschen, die sich einige Wochen lang über das Wunder des Lebens gefreut hatten. Und dazu gehören nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter.
Tipps für Angehörige
Wenn ich in den Wochen danach mit Freunden und Familie über die Fehlgeburt spreche, bekomme ich sehr geteilte Reaktionen: manche sind tief betroffen, wissen nicht, was sie sagen sollen und sind einfach für mich da. Manche erzählen von ihren eigenen schmerzhaften Erfahrungen mit Fehlgeburten. Manche können nicht verstehen, warum ich weine und meinen, es sei doch nicht so schlimm, denn beim nächsten Mal klappe es bestimmt.
Wie du deine Lieben, die gerade eine Fehlgeburt durchmachen, wirklich unterstützen kannst, erfährst du in diesem Video:
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Tipps für Betroffene
Wenn du gerade eine Fehlgeburt durchmachst, musst du natürlich deinen eigenen Weg durch die Trauer finden. Ich hätte mir damals aber zumindest ein Buch, einen Artikel, oder Videos mit hilfreichen Ideen gewünscht. Einige der Ideen, die ich bei meiner Suche gefunden habe, sind vielleicht auch hilfreich für dich.
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Hier noch einmal die Tipps zusammengefasst:
Es ist nicht deine Schuld!
Weder dein Körper, noch deine Seele tragen „Schuld“ für das, was geschehen ist. Auch nicht dein Partner oder irgendetwas, was du in der Schwangerschaft getan oder nicht getan hast.
Ich habe mir z.B. Vorwürfe gemacht, dass ich nicht sofort Folsäure-Tabletten geschluckt hatte. Doch die Realität ist: in aller Welt kommen täglich Kinder zur Welt, deren Mütter von Folsäuretabletten noch nie gehört haben.
Die Entstehung von Leben ist ein so komplexer Vorgang – 2 Keimzellen mit 2 DNA-Strängen verschmelzen, teilen sich wieder und wieder und im Idealfall wird daraus ein Baby und eine Fruchtblase. Doch es kann so viel schief gehen in diesem hochkomplexen Prozess, dass die Natur eine Fehlgeburt als einen ganz natürlichen Ausweg eingebaut hat.
Dieser Willkürlichkeit des Entstehens und Vergehens von Lebens ins Auge zu sehen ist hart – doch sie bestimmt die Welt, in der wir leben.
Körperliches Loslassen
Neben deinem Herzen leistet auch dein Körper – vor allem deine Gebärmutter – bei einer Fehlgeburt schwere Loslassarbeit. Es gibt verschiedene Wege: Tabletten, Ausschabungen (Kürettage), Abwarten, bis es auf natürlichem Wege passiert. Alles hat Vor- und Nachteile, die du mit deinem*r Frauenarzt*ärztin besprechen solltest.
Umgang mit deiner Trauer nach der Fehlgeburt
Zunächst einmal ist es wichtig, dir zuzugestehen, dass du trauern darfst. Du hast zwar nicht (wie bei einem „normalen“ Trauerfall) einen Menschen verloren, mit dem dich viele schöne Erinnerungen und Erlebnisse verbinden. Aber die Hoffnung und die Träume auf das Leben mit diesem Kind sterben mit dem Embryo. Und das kann vieles auslösen – z.B. Trauer, Wut, Hilflosigkeit.
Diese Gefühle kannst du verdrängen – dann werden sie dich bewusst oder unterbewusst noch lange beeinflussen. Oder du kannst dir Zeit und Raum nehmen, um sie wirklich zu fühlen – sie wie eine Welle kommen und dich überwältigen zu lassen. Und irgendwann ebben diese Wellen auch wieder ab.
Umgang mit der Trauer des*r Partners*in
Auch, wenn er*sie das Kind nicht im eigenen Leib hatte: auch dein*e Partner*in hat sich vermutlich über Euren Nachwuchs gefreut – und muss nun auch loslassen und trauern. Das kann für Euch als Paar verbindend wirken. Aber gerade, wenn ihr ganz unterschiedliche Formen der Trauer durchlebt, kann es eine zusätzliche Herausforderung sein.
Denn jeder trauert anders: manche stürzen sich in Arbeit, andere brauchen Ruhe und Rückzug. Manche wollen viel darüber reden, andere machen es lieber mit sich aus. Und jeder geht durch verschiedene Phasen der Trauer.
Daher ist es wichtig, dass zum Einen jeder von Euch genug eigenen Raum und Zeit für seine Art der Trauerbewältigung hat. Zum Anderen hilft es aber auch, wenn ihr Euch als Paar immer wieder verbindet.
Was gibt dir Halt?
Gerade in einer Trauerphase ist es wichtig, Anker im Leben zu haben. Seien es Kinder, die du schon hast, Freunde, deine Ursprungsfamilie, Tiere, die Natur, Kreative Ausdrucksformen, Sport, dein Tagebuch, eine tägliche Achtsamkeitspraxis (z.B. Meditation, Yoga). Was auch immer es für dich ist: gönne es dir in dieser schweren Zeit so oft es geht.
Abschiedsritual nach der Fehlgeburt
Meinem Partner und mir hat es damals sehr geholfen, unser eigenes kleines Abschiedsritual zu gestalten. Wir sind auf einen Berg gestiegen und haben dort Briefe, die wir unserem ungeborenen Kind zum Abschied geschrieben haben, vorgelesen und verbrannt. Auch wenn man einen Menschen am Ende eines gelebten Lebens verabschiedet, gehört ein Trauerritual dazu – und das aus gutem Grund. Seit Menschengedenken gaben uns Rituale Kraft, Halt und Struktur.
Für den Abschied von Eurem ungeborenen Kind könnt ihr schauen, was Euch stimmig erscheint: wollt ihr etwas vergraben, verbrennen, pflanzen? Eine Kerze anzünden? Ballons steigen lassen? Singen? Gibt es einen bestimmten Ort, an dem ihr Abschied nehmen wollt? Wollt ihr allein oder mit anderen geliebten Menschen sein? Vielleicht hatte das Kind auch schon einen Namen? Dann nutzt den ruhig in Eurem Ritual – das macht es so viel persönlicher als „Unser Kind“ oder „der Embryo“, „die Seele“, etc.
Austausch mit anderen Betroffenen
Wenn du merkst, dass dir der Austausch mit anderen Betroffenen von Fehlgeburten gut tut, um deine Trauer zu verarbeiten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Einen gibt es zahllose Internetforen, in denen glücklose Eltern sich austauschen. Ich persönlich fand die vielen Geschichten damals aber schnell überfordernd.
Auch Selbsthilfegruppen für Betroffene von Früh- und Totgeburten gibt es in vielen Städten.
Oft reicht es aber schon, den eigenen Freunden, Bekannten, Verwandten von deiner Fehlgeburt zu erzählen. Denn dann fühlen auch sie sich sicher, über ihre eigenen Erlebnisse, die sie oft ein Leben lang verschwiegen haben, zu sprechen.