Gestern Abend schlug mein Mann vor, dass wir doch mal wieder ein Spiel spielen könnten. Seine Vorschläge: ein Strategie- und ein Beziehungsspiel – da es auch unser Jubiläumstag war, entschied ich mich für letzteres.

Schon beim Lesen der Regeln war klar: dieses Spiel ist durch und durch heteronormativ (ER tut das, SIE tut jenes). Das ist nicht toll, aber für unsere Zwecke ja OK. Als wir dann jedoch so nach und nach die geschlechtergetrennten Aufgaben der Kategorien Beziehung, Wissen und Sinnlichkeit vorlasen, platzte mir bald die Hutschnur.

Seine Aufgaben an mich aus der Kategorie Sinnlichkeit waren z.B.:

  • Lecke meinen Daumen so, als ob er ein Eis wäre.
  • Streichle meinen Körper von Kopf bis Fuß so sinnlich wie möglich.
  • Mach mich so an, dass ich dich lieben möchte.
  • Womit könntest du mir jetzt eine große Freude machen?
  • Berühre mit deiner Zunge so sinnlich wie möglich meine Lippen.

Die Aufgaben auf meinen Karten an ihn klangen in etwa so:

  • Zeige mir, wie stark du bist und hebe mich hoch.
  • Was möchtest du jetzt gern mit mir machen?
  • Zu welcher Tageszeit bin ich für dich besonders sexy?
  • In welchen Klamotten findest du mich sexy?
  • Erzähle mir, wo du mich lieben möchtest und warum.

Fällt dir was auf?

In keiner Aufgabe ging es um MEINE Sinnlichkeit, Lust und Fantasien – sondern darum, wie ER mich besonders sexy und anturnend findet oder was ER mit mir machen möchte.

Die Crux mit der Lust

Wenn ich mir anschaue, was Menschen im Zusammenhang mit Sex so googlen und woran die Pharmaindustrie forscht, erscheint die „Lustlosigkeit der Frau“ als das größte Problem weiblicher Sexualität.

Wenn ich dann sehe, dass mir aufgrund meiner Videos (von Männern und Frauen) regelmäßig vorgeworfen wird, ich sei eine „dumme Hure“ und rede „perverse Scheiße“, scheint es aber wiederum auch nicht OK zu sein, als Frau die eigene Sexualität lustvoll zu leben.

So wünscht sich die Gesellschaft also die lustvolle Frau und kann die Lust der Frau doch nicht ertragen.

Mit diesem Paradox der weiblichen Lust wachsen wir alle auf – egal, welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen. Auch wenn es uns oft gar nicht bewusst ist: viele tiefsitzende Glaubenssätze über Sexualität, die wir in uns tragen, beruhen genau darauf.

Diese Glaubenssätze aufzulösen und unseren eigenen Weg zu und mit unserer Lust zu finden, kann ein gutes Stück innerer Arbeit werden.

Als Frau heißt es: Sei sexy – aber anständig!

Wenn ich mir Frauenzeitschriften anschaue, scheint es im Leben einer Frau kaum ein höheres Ziel zu geben als attraktiv und sexy zu sein. Das propagierte Lebensziel des Mannes: Statussymbole anhäufen, um eine attraktive Frau zu ergattern und zu halten. Ein Glück, dass beides die Konsum-Maschinerie so gut am Laufen hält.

Als Frau kennst du vielleicht den jahrelangen Kampf mit deinem Körper, der nie „gut genug“ zu sein scheint. Du willst attraktiv und sexy sein, doch selbst wenn dich ein toller Mensch anmacht und du Lust hast, weiter zu gehen, spielst du erst einmal die „Unnahbare“. Ein klares Ja zu Sex und Sinnlichkeit fällt dir schwer – denn was soll der*die Andere denn denken? Du bist ja schließlich keine Schlampe…

Wenn du dich dann jedoch auf den Weg machst, deine ureigene Sexualität zu entdecken – jenseits der Normen von „sexy“ und „schön“ – merkst du, wie eine Kraft in dir frei wird, die viele Jahre geschlummert hat. Eine Kraft und Sinnlichkeit, die dir nicht nur erfüllenden Sex beschert, sondern auch Energie, Sinnlichkeit und Lebensfreude in allen anderen Lebensbereichen. Eine Kraft, die nicht selten dazu führt, dass du die an dich gestellten Anforderungen immer mehr hinterfragst – und nach deinen eigenen Regeln lebst.

Das Dilemma des Mannes: Die Heilige und die Hure

Als Mann schwankst du in deinem Frauenbild vielleicht zwischen der „Heiligen“ und der „Hure“. Die Frau, mit der du dein Leben verbringst, sollte eine gute, anständige Frau sein. Die Frau, mit der du geilen Sex haben willst (oder die du dir beim Masturbieren anschaust), ist ruchlos, sexy, unanständig.

Vielleicht hast du mit Tantra und heiliger Sexualität einen guten Ausweg aus diesem Dilemma gefunden – doch für die meisten bleibt es erst einmal genau das: ein Dilemma. Und selbst wenn du Tantra kennst und liebst: ab und an das Liebesleben mit ruchlosem, dreckigem Sex zu würzen, ist einfach trotzdem geil, oder?

So endete unser Spiel

Mein Mann und ich entschieden uns übrigens nach einer Weile, „SEINE“ Sinnlichkeitskarten für uns beide zu nutzen – ich habe zwar dennoch verloren, hatte aber so zumindest noch ein bisschen Spaß beim Spielen.

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